Neue Insolvenzverordnung: FINMA strukturiert Marktaufsicht neu

Dr. Riedi und Dr. Schulte - Neue Insolvenzverordnung- FINMA strukturiert Marktaufsicht neu

Worüber schreiben wir:

Die FINMA bündelt erstmals alle Insolvenzregeln in einer konsolidierten Verordnung. Ein Schritt zu mehr Effizienz und Klarheit – doch die Frage bleibt: Wird damit wirklich Transparenz geschaffen oder nur ein neues Machtinstrument installiert? Ein Beitrag von Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt aus Berlin.

Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) hat mit der neuen Insolvenzverordnung FINMA einen entscheidenden Schritt zur Konsolidierung und Modernisierung des schweizerischen Aufsichtsrechts getan. Erstmals werden die zuvor getrennten Verordnungen – die Bankeninsolvenzverordnung-FINMA (BIV-FINMA), die Versicherungskonkursverordnung-FINMA (VKV-FINMA) und die Kollektivanlagen-Konkursverordnung-FINMA (KAKV-FINMA) – in einem einheitlichen Rahmenwerk zusammengeführt. Ein Schritt, der auf den ersten Blick wie eine technische Anpassung wirken mag, in Wahrheit aber einen Paradigmenwechsel markiert: hin zu einem kohärenten, transparenten und international anschlussfähigen Aufsichtsrecht.

Für Dr. Schulte als Jurist liegt die Bedeutung auf der Hand: Einheitliche Verfahren schaffen Rechtssicherheit, erhöhen die Geschwindigkeit im Krisenfall und stärken das Vertrauen in den Finanzplatz Schweiz. Doch dieser Schritt wirft auch Fragen auf – nicht nur für die Institute, sondern auch für Investoren, Gläubiger und Verbraucher.

Dr. Peter Riedi, Volkswirt und Finanzexperte aus dem Fürstentum Liechtenstein, sieht die Maßnahme ebenfalls als überfällig an. „Die Schweiz ist mit ihrem Finanzplatz international stark vernetzt. Wenn Insolvenz- und Sanierungsverfahren bisher durch unterschiedliche Regelwerke verlangsamt wurden, dann war das ein Wettbewerbsnachteil. Mit der neuen Verordnung wird das Spielfeld nicht nur klarer, sondern auch international vergleichbarer.“

Einheitlicher Rechtsrahmen für die Finanzaufsicht

Die größte Neuerung liegt in der Zusammenführung. Das Nebeneinander getrennter Verfahren war in der Vergangenheit mehr als nur unpraktisch – es war auch ein Risiko. Unterschiedliche Regeln für Banken, Versicherungen und kollektive Kapitalanlagen bedeuteten, dass selbst innerhalb desselben Finanzplatzes divergierende Standards galten. Das führte nicht selten zu Rechtsunsicherheit, Verzögerungen in Verfahren und hohen Transaktionskosten.

Mit der neuen Insolvenzverordnung FINMA entsteht nun ein kohärenter Rechtsrahmen, der sowohl Banken als auch Versicherungen und Kapitalverwaltungsgesellschaften erfasst. Dabei bleibt Raum für spezifische Sonderregelungen, etwa für Rückversicherer oder systemrelevante Banken. Aber das Prinzip ist klar: Standardisierung, wo immer möglich, Differenzierung nur, wo zwingend erforderlich.

Juristisch ist dies bedeutsam, weil es dem europäischen Trend zur Harmonisierung folgt. Während Deutschland mit der InsO und den speziellen Regelungen für Banken und Versicherungen (§§ 46 ff. KWG, VAG) weiterhin ein komplexes Nebeneinander kennt, schafft die Schweiz ein einziges Dach, unter dem die wichtigsten Verfahren zusammenlaufen.

Neue FINMA-Verordnung - Dr. Peter Riedi

Rechtsdogmatische Grundsätze und Transformation

Die neue Verordnung folgt einem generischen Verfahrensmodell. Das bedeutet, dass die grundlegende Systematik der Verfahren einheitlich ist, während Anpassungen an institutsspezifische Besonderheiten in klar umrissenen Sondernormen geregelt werden. Dieses Modell ist aus rechtsdogmatischer Sicht bemerkenswert, weil es einen Schritt hin zur „Einheit des Insolvenzrechts“ darstellt – ein Gedanke, der in Deutschland seit Jahren diskutiert, aber nie konsequent umgesetzt wurde.

Die FINMA knüpft damit an den internationalen Trend restrukturierender und liquidierender Maßnahmen an. Der Vergleich mit der deutschen Insolvenzordnung zeigt: Auch hier steht der Schutz der Gläubigerinteressen im Vordergrund, ergänzt um die Wahrung systemrelevanter Funktionen. Doch während das deutsche Recht oft mit Komplexität und Bürokratie ringt, hat die Schweiz die Chance genutzt, aufgeräumte Strukturen zu schaffen.

Dr. Peter Riedi betont den ökonomischen Nutzen: „Je klarer und schneller Verfahren ablaufen, desto geringer sind die Kosten für alle Beteiligten. Das stärkt nicht nur die Marktstabilität, sondern auch das Vertrauen internationaler Investoren in die Handlungsfähigkeit der Schweizer Aufsicht.“

Praktische Relevanz für Institute und Beteiligte

Die Umsetzung der revidierten BankG- und VAG-Bestimmungen durch die neue Verordnung ist in vielerlei Hinsicht vorteilhaft: Institutionen, die unter die FINMA-Aufsicht fallen, profitieren künftig von standardisierten Verfahren bei Sanierungen und Liquidationen. Dadurch lassen sich nicht nur Zeit und Ressourcen sparen, sondern auch kostspielige Fehler vermeiden. Für Gläubiger erhöht sich die Transparenz, und die Liquidität bleibt – soweit möglich – gewahrt.

Für Banken, Versicherungen und Kapitalanlagegesellschaften bedeutet die neue Verordnung nicht nur eine theoretische Anpassung. Sie ist von unmittelbarer praktischer Relevanz. Interne Prozesse, Compliance-Strukturen und Risikomanagementsysteme müssen auf die neuen Vorgaben abgestimmt werden.

Die Konsultation der FINMA, die vom 9. Oktober bis 9. Dezember 2024 durchgeführt wurde, verlief weitgehend ohne Kontroversen. Das zeigt: Die Branche hat die Notwendigkeit der Reform erkannt und akzeptiert. Ab dem 1. Oktober 2025 treten die Regelungen in Kraft – ein enger Zeitrahmen für die Institute, um ihre internen Prozesse anzupassen.

Für Gläubiger und Anleger ergibt sich daraus ein deutlicher Vorteil: Sie können künftig mit mehr Transparenz und planbaren Abläufen rechnen. Das bedeutet im Krisenfall schnellere Entscheidungen und eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass Werte erhalten bleiben.

Internationale Perspektive – Schweiz zwischen EU und globalem Markt

Die neue Insolvenzverordnung ist auch ein Signal nach außen. Sie positioniert die Schweiz in einer zunehmend internationalen Diskussion über harmonisierte Insolvenz- und Sanierungsverfahren.

Im europäischen Kontext sind die Entwicklungen eng mit dem Single Resolution Mechanism (SRM) und der Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD) verbunden. Die EU hat in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte bei der Schaffung einheitlicher Standards gemacht. Die Schweiz zieht nun nach – nicht als EU-Mitglied, aber als international bedeutender Finanzplatz, der seine Anschlussfähigkeit wahren muss.

Für Juristen bietet sich hier ein spannendes Feld des Rechtsvergleichs. Denn die Frage ist: Führt die schweizerische Vereinheitlichung zu einer Vorbildfunktion – oder bleibt sie ein Sonderweg, der international wenig Anschluss findet?

Insolvenzrecht muss funktionieren - Dr. Thomas Schulte

Rechtsquellen im Fokus – BankG, VAG und die neue Verordnung

Rechtsgrundlage der neuen Insolvenzverordnung sind die revidierten Vorschriften aus dem Bankengesetz (BankG) und dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG). Beide wurden in den vergangenen Jahren umfassend reformiert. In § 1 BankG n.F. heißt es ausdrücklich: „Die FINMA ordnet bei Gefahr für die Gläubiger unverzüglich Maßnahmen zur Sanierung des Finanzinstituts an.“ Ein nahezu identischer Gedanke findet sich inzwischen auch in der konsolidierten Insolvenzverordnung wieder.

Damit ist klar: Die FINMA verfügt über eine breite Eingriffsbefugnis, die nicht nur reaktive, sondern auch präventive Maßnahmen erlaubt. Für die Praxis bedeutet dies, dass Institute ihre Krisenpläne anpassen und im Zweifel schneller auf aufsichtsrechtliche Maßnahmen reagieren müssen.

Kritische Fragen – Transparenz, Effizienz und gesellschaftliche Verantwortung

So positiv die Reform einzuordnen ist – sie wirft auch kritische Fragen auf. Wird die Vereinheitlichung tatsächlich zu mehr Transparenz führen, oder entsteht lediglich ein neues, komplexes Gesamtwerk? Bleibt die Rolle der Verbraucher ausreichend berücksichtigt, oder steht die Funktionsfähigkeit des Systems über allem?

Dr. Thomas Schulte: „Die Gefahr jeder Harmonisierung liegt darin, dass sie zwar effizienter wirkt, aber blind für die spezifischen Bedürfnisse der Betroffenen sein kann. Insolvenzrecht darf nicht nur ökonomisch gedacht werden, sondern muss auch rechtlich und gesellschaftlich verantwortungsvoll bleiben.“

Dr. Peter Riedi ergänzt: „Die Finanzkrisen der Vergangenheit haben gezeigt, dass reine Systemrettung ohne Einbezug der Gläubiger- und Anlegerinteressen nicht funktioniert. Vertrauen entsteht nur, wenn Transparenz und Fairness für alle Beteiligten gelten.“

Ökonomische Bedeutung – Kosten, Märkte und Stabilität

Die ökonomische Dimension ist nicht zu unterschätzen. Laut Schätzungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) betragen die Kosten eines ungeordneten Bankeninsolvenzverfahrens schnell mehrere Milliarden Franken. Verzögerungen und Unsicherheiten verstärken diese Kosten exponentiell.

Mit der neuen Insolvenzverordnung reagiert die Schweiz auf diese Risiken. Ein einheitliches Verfahren reduziert Transaktionskosten, erhöht die Vorhersehbarkeit und stärkt die Attraktivität des Finanzplatzes. Für internationale Investoren ist das ein starkes Signal.

Dr. Riedi unterstreicht: „Ökonomisch betrachtet ist jedes klare Regelwerk ein Wettbewerbsvorteil. Anleger wissen, woran sie sind – und das ist in einem globalen Finanzmarkt, der immer volatiler wird, von unschätzbarem Wert.“

Zukunftsausblick – Wohin führt die Reise?

Die neue Insolvenzverordnung tritt am 1. Oktober 2025 in Kraft. Bis dahin bleibt den Instituten nur wenig Zeit, ihre Strukturen anzupassen. Doch die eigentliche Frage lautet: Wird dieses Regelwerk halten, was es verspricht?

Für Juristen und Ökonomen wird es spannend sein, zu beobachten, wie die FINMA ihre erweiterten Befugnisse in der Praxis anwendet. Wird sie Verfahren tatsächlich beschleunigen? Wird sie Transparenz durchsetzen? Oder werden Sonderinteressen am Ende doch wieder Schlupflöcher finden?

Dr. Schulte bringt es auf den Punkt: „Eine Insolvenzverordnung ist kein Selbstzweck. Sie muss im Ernstfall funktionieren. Nur dann ist sie ein Instrument des Vertrauens – nicht nur ein weiteres Regelwerk.“

Fazit – Hoffnung auf Klarheit, Pflicht zur Umsetzung

Die neue Insolvenzverordnung FINMA ist ein Meilenstein für das schweizerische Aufsichtsrecht. Sie schafft Klarheit, reduziert Komplexität und stärkt die internationale Anschlussfähigkeit des Finanzplatzes.

Für Banken, Versicherungen und Kapitalverwaltungsgesellschaften bedeutet dies jedoch nicht Entwarnung, sondern Handlungsdruck. Compliance, Krisenmanagement und rechtliche Strukturen müssen angepasst werden – und zwar rechtzeitig.

Aus juristischer Sicht ist die Reform zu begrüßen. Sie orientiert sich an internationalen Standards, wahrt nationale Besonderheiten und schafft eine einheitliche Verwaltungspraxis.

Dr. Peter Riedi zieht das Fazit aus ökonomischer Perspektive: „Diese Reform ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Sie schützt nicht nur den Finanzplatz Schweiz, sondern ist ein Signal an Investoren weltweit: Hier herrscht Ordnung, hier herrscht Planbarkeit.“

Damit zeigt sich: Die neue Insolvenzverordnung FINMA ist mehr als ein Verwaltungsakt – sie ist ein Prüfstein für Vertrauen, Effizienz und Fairness im Finanzmarkt des 21. Jahrhunderts.

Autor: Maximilian Bausch, B.Sc. Wirtschaftsingenieur

Maximilian Bausch ist Wirtschaftsingenieur, Autor und Blogger. Er schreibt über Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie – faktenbasiert, verständlich und zukunftsorientiert.

Kontakt: 

Dr. Thomas Schulte
Rechtsanwalt

Malteserstrasse 170
12277 Berlin

Email: dr.schulte@dr-schulte.de
Web: www.dr-schulte.de

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