Ende Januar 2025 wurde das Lebensversicherungsunternehmen FWU Life Insurance Lux S.A. – bekannt unter der Marke „Forward You“ (FWU) – durch Urteil des Bezirksgerichts Luxemburg aufgelöst und in die gerichtliche Liquidation geschickt. Dieser seltene Schritt im Versicherungssektor beendete die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft und leitete ein geordnetes Insolvenzverfahren ein.
Für Tausende Versicherungsnehmer in mehreren Ländern – darunter Deutschland, Italien, Frankreich, Österreich und Spanien – bedeutete die Liquidation große Ungewissheit. Was würde aus ihren angesparten Geldern in den fondsgebundenen Lebensversicherungspolicen? Wer ist nun zuständig, und wie sicher sind die investierten Beiträge? Dieser erste Teil unserer Wissensreise beleuchtet die Hintergründe der FWU-Insolvenz, die Rolle der Aufsichtsbehörden und die unmittelbaren Konsequenzen für die Kunden. Dabei wird deutlich, dass die luxemburgischen Schutzmechanismen in diesem Stresstest weitgehend greifen konnten – doch einige juristische Fragen bleiben kritisch zu hinterfragen.
Finanzielle Schieflage und Eingreifen der Aufsicht
Die FWU Life Insurance Lux S.A. geriet durch Probleme ihrer deutschen Muttergesellschaft in ernsthafte Bedrängnis. Am 19. Juli 2024 meldete die FWU AG in München Insolvenz an. Zeitgleich zeigte die Luxemburger Tochter der dortigen Finanzaufsicht, dem Commissariat aux Assurances (CAA), an, dass sie die gesetzlich vorgeschriebenen Solvenzkapitalanforderungen nicht mehr erfülle. Konkret konnte FWU Life weder die Mindestkapitalanforderung (MCR) noch die darüber liegende Solvenzkapitalanforderung (SCR) unter Solvency II bedecken. Damit war die Zahlungsfähigkeit des Versicherers aus aufsichtsrechtlicher Sicht gefährdet. Luxemburgs Versicherungsaufsichtsrecht – im Kern das Gesetz vom 7. Dezember 2015 über den Versicherungssektor (Loi sur le secteur des assurances, LSA) – sieht in einem solchen Fall gestufte Maßnahmen zum Schutz der Versicherten vor. Zunächst muss ein Lebensversicherer jederzeit ausreichende versicherungstechnische Rückstellungen bilden und gleichwertige Aktiva als Sicherungsvermögen vorhalten, die dem Schutz der Versicherungsnehmer dienen. Dieses Prinzip ist Teil des sogenannten „Luxemburger Dreiecks“: Die Kundengelder werden auf separaten Konten bei einer Depotbank verwahrt, es besteht ein dreiseitiger Vertrag zwischen Versicherer, Aufsicht und Verwahrstelle, und die Anlagen dürfen ausschließlich zur Erfüllung der Verpflichtungen gegenüber den Versicherungsnehmern verwendet werden. Im Falle einer Insolvenz gibt das Gesetz den Versicherungsnehmern sogar ein gesetzliches Superprivileg – sie genießen vorrangigen Zugriff auf das segregierte Sicherungsvermögen, noch vor anderen Gläubigern oder dem Staat. Diese besondere Konstruktion sollte im Fall FWU die angesparten Kundengelder so weit wie möglich sichern.
Bereits wenige Tage nach Bekanntwerden der Kapitalunterdeckung ergriff die Aufsicht erste Maßnahmen: Am 23. Juli 2024 – nur vier Tage nach der Insolvenzanmeldung der Mutter – untersagte die CAA der FWU Life vorläufig sämtliche Auszahlungen aus den Versicherungsverträgen und fror das komplette Sicherungsvermögen bei den Verwahrbanken ein. Dieser sofortige Zahlungsstopp (moratorium) sollte sicherstellen, dass kein Versicherungsnehmer bevorzugt ausgezahlt wird und die vorhandenen Mittel im Interesse aller Kunden erhalten bleiben. Zeitgleich forderte die CAA das Unternehmen auf, innerhalb eines Monats einen Finanzierungs- und Sanierungsplan vorzulegen, um die Solvenz wiederherzustellen. FWU Life bemühte sich daraufhin um frisches Kapital. Im Gespräch waren rund 30 Millionen Euro, die die deutsche Muttergesellschaft bereitstellen sollte. Doch die finanzielle Lage der FWU AG ließ einen solchen Kapitalschuss nicht zu.

Moratorium und Sanierungsversuch
Parallel zum aufsichtsrechtlichen Auszahlungsverbot beantragte FWU Life am 24. Juli 2024 beim Bezirksgericht Luxemburg einen gerichtlichen Zahlungsaufschub (Sursis de paiement). Dieses Instrument, in Art. 244ff. LSA geregelt, ermöglicht es einem strauchelnden Versicherer, vorübergehend von seinen Zahlungsverpflichtungen entbunden zu werden. Das Gericht entsprach dem Antrag und gewährte am 2. August 2024 einen Zahlungsaufschub, zunächst befristet auf maximal sechs Monate. Ein Kommissar wurde als Aufseher eingesetzt; fortan durfte das Management der FWU Life nur noch mit Zustimmung dieses gerichtlich bestellten Überwachers handeln. Für die Versicherungsnehmer bedeutete dies zunächst ein Atemholen: Die Verträge blieben bestehen, aber Auszahlungen waren eingefroren, während man auf eine Sanierung hoffte. Ziel des Moratoriums war es, Zeit für eine mögliche Rettung oder einen geordneten Verkauf zu gewinnen. Die CAA stand während dieser Phase in engem Kontakt mit der deutschen BaFin und der österreichischen FMA, da FWU Life auch dort Policen im Bestand hatte. Durch koordinierte Informationen wollten die Aufseher verhindern, dass Kunden in Panik geraten oder falsche Schritte unternehmen. Zudem untersagte die CAA der FWU Life, neues Versicherungsgeschäft zu zeichnen oder weiter Prämien bei Kunden einzuziehen. Das bestehende Geschäft wurde also auf “Pause” gestellt, um eine Verschlechterung der Finanzlage zu verhindern.
Leider scheiterte der Sanierungsversuch: Weder fand sich ein Investor, noch konnte die Muttergesellschaft FWU AG den benötigten Kapitalnachschuss leisten. Nachdem auch eine kurzfristige Finanzierungszusage über einen kleineren Betrag nicht ausreichte, erklärte die Aufsicht die Wiederherstellung der Solvenz für aussichtslos. Am 22. Januar 2025 teilte die CAA offiziell mit, dass der Sanierungsplan gescheitert sei, und stellte beim Gericht den Antrag, der FWU Life die Erlaubnis zu entziehen und das Unternehmen aufzulösen. In diesem Zusammenhang ordnete die CAA zugleich an, sämtliche Prämieneinzüge bei den Versicherten einzustellen. Niemand sollte mehr Geld in eine faktisch insolvente Gesellschaft einzahlen. Das Bezirksgericht Luxemburg folgte dem Antrag der Aufsicht: Mit Urteil vom 31. Januar 2025 wurde die Auflösung und Liquidation der FWU Life Insurance Lux S.A. angeordnet. Seit dem 19. Februar 2025 ist dieses Urteil rechtskräftig; die Gesellschaft befindet sich seither in formeller Liquidation, vergleichbar einem Konkursverfahren.
Luxemburgs „Praxisfall“ einer Versicherungsinsolvenz
Der Zusammenbruch der FWU Life ist erst der zweite Fall dieser Art in Luxemburg. Zuvor war 2012 die Excell Life International S.A., ebenfalls ein Lebensversicherer, wegen Zahlungsunfähigkeit liquidiert worden. Die Lehren aus dem Excell-Fall hatten 2018 zu einer Verstärkung des „Sicherungssystems im Dreieck“ geführt – insbesondere wurde das Privileg der Versicherungsnehmer als Erstgläubiger gesetzlich klar verankert. Die Insolvenz von FWU Life galt nun als erster Praxistest für diese verschärften Regeln. Entsprechend aufmerksam verfolgte die Branche das Geschehen. Die CAA betonte in ihren Verlautbarungen, dass trotz der Pleite des Unternehmens die Kundengelder weitgehend geschützt seien und nicht „verschwinden“ würden. Tatsächlich zeigt sich bisher, dass die Mechanismen griffen: Das Sicherungsvermögen blieb unantastbar eingefroren, und durch das gesetzliche Vorgriffsrecht haben die Kunden Vorrang bei der Auszahlung aus der Masse. Dennoch werfen die Ereignisse Fragen auf. Etwa warum keine Auffanglösung wie in Deutschland gefunden wurde oder weshalb die finanzielle Schieflage der FWU-Gruppe nicht früher erkannt wurde. Diese Aspekte sollten tiefgehend Betrachtung finden. Zunächst aber sollen die unmittelbaren Konsequenzen für die Versicherungsnehmer im Rahmen der Liquidation erläutert werden.
Konsequenzen für Versicherungsnehmer
Mit dem Liquidationsurteil vom 31. Januar 2025 sind alle Versicherungsverträge der FWU Life Lux kraft Gesetzes erloschen. Anders als bei einer normalen Vertragsbeendigung bedeutet dies jedoch nicht, dass die Kunden leer ausgehen – im Gegenteil, nun greifen die insolvenzrechtlichen Sicherungsmechanismen. Die Versicherungsnehmer müssen ab Februar 2025 keine Prämien mehr zahlen; laufende Beitragsabbuchungen wurden gestoppt. Bereits gezahlte Prämien und angesparte Guthaben wandeln sich in Insolvenzforderungen. Vereinfacht gesagt hat jeder Kunde nun einen Anspruch auf den Rückkaufswert seines Vertrages per Liquidationsstichtag. Dieser Wert ergibt sich aus dem Nettovermögen der jeweiligen Fondsanlage in der Police. Der gerichtlich bestellte Liquidator (Maître Alain Baden, Avocat à la Cour) lässt derzeit für jeden Vertrag den individuellen Anspruch berechnen. Bis spätestens zum 31. Juli 2025 sollten alle ehemaligen Versicherungsnehmer ein Schreiben erhalten haben, das eine verständliche Erläuterung der Situation und ein vorgefertigtes Formular zur Forderungsanmeldung enthielt. In diesem Formular sollte der berechnete Forderungsbetrag, also das Vertragsguthaben, bereits eingetragen worden sein. Die Kunden müssen diese Anmeldung unterzeichnen und an den Liquidator zurücksenden, und zwar spätestens bis zum 31. Januar 2028. Diese lange Frist von drei Jahren dient dazu, wirklich allen Betroffenen (auch schwer erreichbaren) die Gelegenheit zu geben, ihre Ansprüche geltend zu machen. Wichtig: Wer bis Ablauf der Frist seine Forderung nicht anmeldet, verliert seinen Anspruch endgültig. Es gilt also, trotz der langen Wartezeit den Vorgang im Auge zu behalten.
Während des Liquidationsverfahrens bleiben sämtliche Auszahlungen weiterhin ausgesetzt. Versicherungsleistungen wie Todesfallschutz oder Ablaufleistungen entfallen, da die Verträge beendet sind. Stattdessen steht für jeden Vertrag die Summe der angesparten Fondsanteile im Raum, die aus der Masse zurückgezahlt werden soll. Die CAA weist ausdrücklich darauf hin, dass die Kunden ihre Ersparnisse nicht vollständig verlieren werden. Zu Hoffen bleibt, dass das vorhandene Vermögen voraussichtlich ausreichen wird, um einen großen Teil der Guthaben auszuzahlen. Allerdings kann erst am Ende des Verfahrens die genaue Quote beziffert werden, also ob 100 Prozent oder doch weniger ausgezahlt werden können. Betont wird, dass nach bisherigem Kenntnisstand die Unterdeckung nur wenige Prozent betragen soll, sodass die allermeisten Versicherungsnehmer auf nahezu vollständige Erstattung hoffen können. In Aussicht gestellt wird sogar, dass, sofern die Fonds zwischenzeitlich Wertzuwächse hatten, einzelne Kunden am Ende mehr als ihre eingezahlten Prämien zurückerhalten. So die Hoffnungen, aber das hängt vom Verkaufserlös der Fonds ab, der zum Stichtag der Berechnung erzielt wurde. Zu beachten ist, dass während der Abwicklung keine Zinsen auf die Forderungen laufen; die Auszahlungen erfolgen ohne Verzinsung für die Wartezeit. Dies ist jedoch branchenüblich und gesetzlich so vorgesehen.
Ein drängendes Thema ist die Frage nach etwaigen vertraglichen Garantieversprechen, wie beispielsweise Höchststandsgarantien, die FWU bei manchen fondsgebundenen Policen gegeben hatte. Solche Garantien sind jetzt unsicher geworden. In der Verbraucherinformation der CAA heißt es, es sei unklar, inwieweit etwa eine Höchststandsicherung noch greife. Im Klartext: Wenn das Sondervermögen nicht ausreicht, könnten solche Zusagen ins Leere gehen. Letztlich werden alle Versicherungsverträge, ob mit oder ohne Garantie, im gleichen Verfahren und nach Maßgabe der vorhandenen Masse abgewickelt. Bevorzugungen einzelner Gruppen von Verträgen sind rechtlich nicht möglich, alle Kunden werden gleich behandelt.
Für betroffene Kunden stellt sich natürlich die praktische Frage: „Wann bekomme ich mein Geld?“ Hier ist Geduld gefragt. Die Erfahrung aus ähnlichen Fällen zeigt, dass eine vollständige Abwicklung mehrere Jahre dauern kann. Der Liquidator muss zunächst sämtliche Vermögenswerte der FWU Life erfassen und zu Geld machen. Im Anschluss werden alle Forderungen geprüft, eventuelle Rechtsstreitigkeiten geklärt und erst dann kann die Verteilung erfolgen. Ein konkreter Auszahlungstermin steht nicht fest. Die Aufsicht spricht davon, dass die Erstattungen „einige Zeit in Anspruch nehmen“ werden. Für Kunden, die auf das Geld angewiesen sind, ist dies unbefriedigend. Ein rechtlicher Anspruch auf frühere Teilauszahlungen besteht aber nicht. Experten raten davon ab, Angebote von Drittpersonen anzunehmen, die einen schnellen Kauf der Forderung oder eine Sofortauszahlung versprechen. Schon Mitte März 2025 warnte die CAA alle Versicherungsnehmer vor möglichen Betrugsversuchen in diesem Zusammenhang. Verunsicherte Kunden sollten also wachsam sein, wenn plötzlich unbekannte „Berater“ schnelle Lösungen anbieten – hier könnten Abzocker am Werk sein, die die Not ausnutzen.
Ansprechpartner und Informationen
Die Luxemburger Aufsicht und der Liquidator haben umfangreiche Informationen für Verbraucher bereitgestellt. Offizielle FAQ-Dokumente (Fragen & Antworten) der CAA erläutern mehrsprachig das Verfahren und die Rechte der Kunden. Der Liquidator hat unter fwulifelux.com eine eigene Website eingerichtet, auf der alle wichtigen Mitteilungen veröffentlicht werden. Zudem kam es zu einem ungewöhnlichen Zwischenfall: Kurz nach Eröffnung der Liquidation kappte die deutsche FWU AG den Zugriff der FWU Life auf die IT-Systeme. Dadurch konnten die Kunden zeitweise das Unternehmen nicht kontaktieren. Die CAA informierte umgehend über diesen Vorgang und stellte sicher, dass alternative Kommunikationskanäle geschaffen wurden. Inzwischen gibt es E-Mail-Adressen für Kundenanfragen je Sprache. In Deutschland hat auch die BaFin ein Verbrauchertelefon für FWU-Geschädigte geschaltet. Generell sollten sich Versicherungsnehmer bei Fragen an den Liquidator oder – falls noch vorhanden – an ihren Vermittler wenden. Die laufende Beaufsichtigung des Verfahrens erfolgt durch das luxemburgische Gericht in Zusammenarbeit mit der CAA, die im Gläubigerausschuss die Interessen der Versicherten vertritt.
Zusammenfassend lässt sich sagen:
Trotz der Insolvenz der FWU Life Insurance Lux S.A. sind die Gelder der Versicherungsnehmer weitgehend geschützt, doch Zeit und Geduld sind erforderlich. Kein deutscher Sicherungsfonds (wie Protektor) springt hier ein, da FWU ein luxemburgischer Versicherer war. Stattdessen greift das Luxemburger System aus Sondervermögen und Versicherungsnehmer-Privileg. Die Kunden werden am Ende an erster Stelle aus der Liquidationsmasse bedient, sofern sie ihre Ansprüche anmelden und keine Fristen versäumen. Einen genaueren Blick auf die Herausforderungen sollte geworfen werden, die dieser Fall für die Versicherungsbranche und die Aufsicht mit sich bringt. Insbesondere auf Vergleiche, wie in anderen Ländern ähnliche Situationen gehandhabt wurden, mit kritischen Fragen: Welche Lehren ziehen Branchenexperten aus dem Fall FWU? Und wie sicher sind Kundengelder wirklich, auch im Lichte aktueller Entwicklungen bei der Rückabwicklung von Lebensversicherungen?
Autor: Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt
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Dr. Thomas Schulte ist Rechtsanwalt mit Kanzleisitz in Berlin und seit 30 Jahren auf Bank-, Kapitalanlage- und Versicherungsrecht spezialisiert. Als Vertrauensanwalt des internationalen Kanzleinetzwerks ABOWI Law berät er Mandanten aus dem In- und Ausland in komplexen zivilrechtlichen Fragestellungen, insbesondere im Bereich der Verbraucherrechte, Rückabwicklung von Lebensversicherungen sowie der Haftung von Vermittlern und Finanzdienstleistern. Dr. Schulte ist zudem als Fachautor und Referent tätig und hat sich durch zahlreiche Publikationen einen Ruf als kritischer Beobachter regulatorischer Entwicklungen im Finanz- und Versicherungssektor erarbeitet.