Reputationsrecht: Der Oberste Gerichtshof in den USA fällt wichtige Entscheidungen über Meinungsfreiheit im Internet, von Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt in Berlin

Große soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter und Instagram stützen sich seit langem auf zwei wichtige Regeln, die auch in Deutschland im Grunde gelten:

  • Die erste besagt, dass die Plattformen frei von staatlicher Kontrolle sind und selbst entscheiden können, welche Inhalte sie online lassen und welche sie löschen.
  • Die zweite ist, dass die Websites rechtlich nicht für das verantwortlich gemacht werden können, was ihre Nutzer online stellen. 

Dies schützt die Unternehmen vor Klagen wegen verleumderischer Äußerungen, extremistischer Inhalte und Schäden in der realen Welt, die mit ihren Plattformen in Verbindung gebracht werden können. Die deutschen Regeln – zumeist durch die Urteile entwickelt – sind ähnlich, wenn stärker abgewogen. Verantwortlich ist zuerst der eigentlich Handelnde und nur im Hintergrund und für den Notfall die Plattformen (sogenannte Störerhaftung der Host-Provider).

Nun bereitet sich der Oberste Gerichtshof in den USA darauf vor, diese Regeln erneut zu prüfen. Dies könnte die größte Änderung der Regeln für Online-Sprachäußerungen seit den 1990er Jahren sein, als US-Behörden und Gerichte beschlossen, das Internet kaum zu regulieren.

Dem obersten Gericht in den USA liegen jetzt bundesstaatliche Regelungen vor, die Internetriesen doch in die Haftung nehmen könnten.

Die Fälle könnten den “unbürokratischen” rechtlichen Ansatz der Vereinigten Staaten in Bezug auf Online-Reden ändern, was den Unternehmen TikTok, Twitter, Snap und Meta, dem Unternehmen, dem Facebook und Instagram gehören, schaden könnte.

Daphne Keller, eine ehemalige Google-Anwältin sagte laut New York Times, die jetzt ein Programm am Cyber Policy Center der Stanford University leitet, sagte: „Dies ist ein Moment, in dem sich alles ändern könnte.“

Hassreden in der Anonymität des Internets verstören

US Supreme Court: bedeutende Entscheidung zur Meinungsfreiheit im Internet erwartet

Die Fälle sind Teil eines weltweit wachsenden Kampfes über den Umgang mit schädlichen Online-Reden. In den letzten Jahren, als Facebook und andere Websites Milliarden von Nutzern gewannen und zu wichtigen Kommunikationsmitteln wurden, wurde ihre Macht genauer unter die Lupe genommen. Man fragte sich, ob soziale Netzwerke unbeabsichtigte Auswirkungen auf Dinge wie Wahlen, Völkermorde, Kriege und politische Debatten haben könnten.

In einigen Teilen der Welt haben die Gesetzgeber Maßnahmen ergriffen, um die Macht dieser Plattformen über die Äußerungen der Menschen zu begrenzen. Deutschland hatte mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz reagiert und zumindest Teilregelungen des Internets erlassen. Die Europäische Union arbeitet an einer Gesamtregelung, die europaweit gelten soll. 

Die USA geben sich traditionell lockerer

In den Vereinigten Staaten, wo der erste Verfassungszusatz die Meinungsfreiheit schützt, gibt es weniger Gesetze. In den letzten drei Jahren haben die Gesetzgeber in Washington, D.C. den Vorstandsvorsitzenden der großen Technologieunternehmen viele Fragen zu den Inhalten gestellt, die sie löschen. Vorschläge zur Regulierung schädlicher Inhalte wurden jedoch nicht umgesetzt.

Manche werfen in den USA den Tech-Giganten vor, einen Freifahrtschein zu haben. 

Krasser Fall der Fehldarstellung bei Youtube führt zu einem Umdenken?

Aber am 21. Februar 2023 wird das oberste Gericht den Fall Gonzalez gegen Google verhandeln. Diese Klage wurde von der Familie eines Amerikaners eingereicht, der in Paris bei einem Anschlag von Anhängern des Islamischen Staates getötet wurde. In ihrer Klage erklärte die Familie, dass der rechtliche Freifahrtschein doch YouTube nicht vor der Behauptung schützen sollte, es unterstütze den Terrorismus, indem es Nutzern Videos des Islamischen Staates zeigt. In der Klage heißt es, dass Empfehlungen als eine eigene Art von Inhalten angesehen werden können. 

Fazit und Tipps

Die weitere Rechtsentwicklung in den USA wird zeigen, ob und wie die Regulierung des Internets vorankommt. Sinnvoll ist aus Sicht des Autors ein Perspektivwechsel in Richtung der Opfersicht: Die Giganten wollen nicht für den Inhalt haften, sondern mit dem Inhalt – Beispiel Youtube – Geld verdienen. Opfer von Fehldarstellungen müssen sich aber effektiv wehren können. Alles andere ist eines Rechtsstaats unwürdig, sei es nun in den USA oder in Europa. 

V.i.S.d.P.:

Dr. Thomas Schulte
Rechtsanwalt

Kontakt:

Rechtsanwaltskanzlei Dr. Thomas Schulte
Malteserstraße 170
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Telefon: +49 30 221922020
E-Mail: dr.schulte@dr-schulte.de

Die Kanzlei Dr. Schulte Rechtsanwälte ist seit 1995 erfolgreich zivilrechtlich schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des Internets-, Reputations- und Wettbewerbsrecht tätig. Sie vertritt bundesweit die Interessen einzelner Anleger. Ergänzende Absenderangaben mit dem Kanzleistandort finden Sie im Impressum auf der Internetseite www.dr-schulte.de.

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