Klassiker der Bankenhaftung – das „Schrottimmobilienurteil“ des Bundesgerichtshofes vom 13.06.2006, mit Immobilienexperte Thomas Friese, Oldenburg/Berlin im Interview mit Valentin Schulte, Volkswirt in Berlin
Über die Verantwortung der Banken für Immobilienkäufe wird wenig gesprochen, obwohl die Rechtslage schon seit 2006 für Investoren sehr günstig ist. Normalerweise gilt, dass es die Bank keinerlei Verantwortung hat für die Verwendung des Darlehensbetrag, den der Kunde erhält. Beispiel: Autokauf – egal ob das Auto fährt oder nicht – der Kredit muss zurückgezahlt wird. Etwas anderes gilt aber für Immobilien. Ist das angesichts der steigenden Immobilienpreise überhaupt noch ein Thema, fragt der Autor den langjährigen Immobilienexperten Thomas Friese, der geschäftlich in Berlin aktiv war und nunmehr in Oldenburg lebt.
Valentin Schulte: “Herr Friese, ist heutzutage noch zu beobachten, dass viele Familien unter den Nachwirkungen des Models “Steuern sparen durch eine Kapitalanlage in Immobilien”, das in den Jahren 2008 bis 2011 erfolgreich in der gesamten Republik vertrieben wurde, leiden? Was war überhaupt der Hintergrund?”
Thomas Friese: “Erfolgreiche Vertriebsmitarbeiter überzeugten Anleger bei diesem Modell mit Versprechungen rund um Eigentumswohnungen, die mittels Bankkredit finanziert wurden. Diese Eigentumswohnungen sollten den Betroffenen helfen ihr Geld sicher anzulegen und hierbei auch noch Steuern zu sparen. Der hierfür aufgenommene Bankkredit wird bis zum heutigen Tag von Anlegern zurückgeführt”.
Valentin Schulte: “Der Markt hat das Problem gelöst, oder?”
Thomas Friese: “Nein, die Situation ist heute eine andere als damals. Die Investoren der Jahre 2008 bis 2011 sind glücklich, weil die Preisentwicklung so gut ist, dass angeblich überhöhte Anschaffungskosten keine Rolle mehr spielen. Außerdem müssen Banken darauf achten, dass die Verhältnisse am Markt einigermaßen ausgeglichen sind. Das ergibt sich aus einem Klassiker der Bankenhaftung.”
Bermudadreieck aus Banken, Bauträgern und Vertrieb?
Thomas Friese: “Kunden erwerben Eigentum von Bauträgern, der Vertrieb vermittelt und Banken finanzieren den Erwerb. So war und ist das Modell. Wenn etwas schief ging, weil die Wohnungen viel zu teuer waren oder die Versprechungen des Vertriebes übertrieben waren, wollte die Bank immer nichts damit zu tun haben.”
Verantwortung der finanzierenden Banken in der Rechtsprechung seit 2006?
Verwunderlich war damals, dass die beteiligten Banken regelmäßig ihre Verantwortung für die Misere leugnen und weiterhin an den Darlehensverträgen festhalten, also Zinsen und Tilgung verlangen oder Kredite fällig stellen. Dies steht im Widerspruch zu einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH). Im Jahre 2006 hat der BGH klare Worte zur Verantwortung der Banken gefunden (Urteil vom 16.05.2006 Az.: XI ZR 6/04).
Der BGH führt aus: “In Fällen eines institutionalisierten Zusammenwirkens der kreditgebenden Bank mit dem Verkäufer oder Vertreiber eines finanzierten Objekts können sich Anleger unter erleichterten Voraussetzungen mit Erfolg auf einen die Aufklärungspflicht auslösenden konkreten Wissensvorsprung der finanzierenden Bank im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung des Anlegers durch unrichtige Angaben der Vermittler, Verkäufer oder Fondsinitiatoren bzw. des Fondsprospekts über das Anlageobjekt berufen. Die eine eigene Aufklärungspflicht auslösende Kenntnis der Bank von einer solchen arglistigen Täuschung wird widerleglich vermutet, wenn Verkäufer oder Fondsinitiatoren, die von ihnen beauftragten Vermittler und die finanzierende Bank in institutionalisierter Art und Weise zusammenwirken, auch die Finanzierung der Kapitalanlage vom Verkäufer oder Vermittler angeboten wurde und die Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers, Fondsinitiators oder der für sie tätigen Vermittler bzw. des Verkaufs- oder Fondsprospekts nach den Umständen des Falles evident ist, so dass sich aufdrängt, die Bank habe sich der Kenntnis der arglistigen Täuschung geradezu verschlossen.”
Willenserklärungen können somit widerrufen und Verträge rückabgewickelt werden. Hinzu kommen Schadensersatzansprüche der Opfer die gegen die Bank bestehen.
Institutionalisiertes Zusammenwirken
Valentin Schulte: “Gehen Sie aufgrund Ihrer Erfahrungen von eim institutionalisierten Zusammenwirken in der Vergangenheit aus?”
Thomas Friese: “Von einem solchen Zusammenwirken kann ausgegangen werden, wenn die jeweilige Bank über einen längeren Zeitraum hinweg und in organisierter und routinierter Form mit dem Vermittler und dem Verkäufer der Immobilie zusammenarbeitet. Die Anleger können sich dann unter erleichterten Voraussetzungen auf einen Wissensvorsprung der Bank berufen, der eine Aufklärungspflicht der Bank zur Folge gehabt hätte. Die Aufklärungspflicht wird in diesen Konstellationen widerleglich vermutet.”
Wie geht es weiter?
Wenn also die Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers, Fondsinitiators oder der für sie tätigen Vermittler bzw. des Verkaufs- oder Fondsprospekts nach den Umständen des Falles so auffällig ist, dass sich die Bank der Kenntnis der arglistigen Täuschung geradezu verschlossen hat, braucht sie in nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) gute Argumente. Allzu enge Bindungen zwischen Banken und Vertriebsgruppen sind seitdem argwöhnisch im Fokus der Behörden und der Anlegerschutz ist durch die mögliche (Mit-)haftung der Banken gestärkt.
Die Bank muss also darlegen und beweisen, dass sie trotz der Zusammenarbeit mit dem Anlagenvertreiber von dessen unlauteren Methoden nichts wusste.
Schutz für Immobilienkäufer durch Bankenhaftung
Die Entscheidung bedeutet im Grunde, dass die Bank in Zukunft den Vertrieb von Kapitalanlagen, die finanziert werden, näher überwachen muss. Falls die Bank stattdessen die Augen vor schädigenden Vertriebsmethoden verschließt, müssen die Kreditkunden das Darlehen nicht zurückzahlen.
Können Anleger auch heute noch von diesem Urteil profitieren?
Hier hilft ein Blick ins Bürgerliche Gesetzbuch unter den Paragraphen 123 und 124. Der BGH hat in dem oben genannten Urteil festgestellt, dass hier für Anleger die Möglichkeit besteht, ihre mit der Finanzierung abgegeben Willenserklärungen wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Paragraph 124 BGB sieht vor, dass die Frist dieser Anfechtung spätestens 10 Jahren nach Abgabe der Willenserklärung verstrichen ist. Gut zu wissen.
V.i.S.d.P.:
Valentin Markus Schulte
Volkswirt, Stud. Iur
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